Dienstag, November 25, 2025

Bundestagung des BHK e.V. zeigt alarmierende Versorgungslücke – schwerkranke Kinder gefährdet

Handlungsdruck in der außerklinischen Kinderkrankenpflege wächst

Dresden, 25. November 2025 – Die Versorgungslage in der außerklinischen Kinderkranken- und Kinderintensivpflege spitzt sich dramatisch zu. Darüber wurde am vergangenen Freitag und Samstag auf der Bundestagung des Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e. V. (BHK) in München intensiv diskutiert. Mit deutlichen Appellen an Politik, Kostenträger und Ausbildungssystem.

Bereits in ihrer Eröffnungsrede sprach die Geschäftsführerin des BHK e.V. Corinne Ruser von einer „Erosion der Versorgung“, die nicht mehr zu übersehen sei. „Wir erleben, dass Familien ihre Kinder zu Hause versorgen wollen und sollen – aber oft schlicht nicht mehr können. Die Versorgung ist vielerorts am Limit“, so Ruser. Besonders kritisch sei der Verlust spezialisierter Expertise im Zuge der generalistischen Pflegeausbildung. „Wir haben jahrzehntelang Expertise aufgebaut – und sehen jetzt zu, wie sie uns zwischen den Fingern zerrinnt.“

Versorgungslücke zwischen AKI/HKP wächst – Kinder „herausgedrängt“
In der Podiumsdiskussion schilderte Ruser eine „systematische Verschiebung der Leistungsansprüche“ in der außerklinischen Kinderintensivpflege. Während beatmete oder tracheotomierte Kinder weiterhin ohne größere Hürden Leistungen der AKI nach § 37c SGB V erhalten, beobachtet der Verband bei anderen schwerkranken Kindern zunehmend restriktive Prüfungen.

„Kinder mit schweren Stoffwechselstörungen und komplexen Anfallsleiden oder Erkrankungen wie Diabetes Typ 1 in besonderen Verlaufsformen werden zunehmend aus der AKI gedrängt“, erklärte Ruser. Die Begründung vieler Kostenträger: Es bestehe keine fortwährende akute Lebensgefahr, etwa weil über einen längeren Zeitraum kein Notfall dokumentiert sei, und somit keine ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft notwendig sei.

Zudem beobachte der Verband, dass AKI-Leistungen zunehmend mit dem Hinweis abgelehnt werden, es bedürfe keiner geeigneten Pflegefachkraft – die Versorgung könne angeblich auch durch nicht-fachlich qualifiziertes Personal erfolgen. Ruser: „Diese Argumentation blendet die realen Risiken im Alltag der Familien aus.“

Kinder würden in solchen Fällen in die häusliche Krankenpflege (HKP) zurückverwiesen, die aber auf eine Krankenbeobachtung von Kindern auf den ersten Blick nicht ausgelegt ist. „Die HKP kennt keine stundenbasierten Leistungen und auch keine Vergütung für eine kontinuierliche Fachkraftpräsenz. Für viele Familien entsteht dadurch ein großes Problem, da keine Versorgung durch professionelle Pflegefachkräfte bzw. -dienste stattfinden kann“, so Ruser. Neben existenzieller Unsicherheit entstünden erhebliche physische, psychische und – im Fall juristischer Vertretung – finanzielle Belastungen.

Politik signalisiert Problembewusstsein – doch es braucht Strukturwandel
Simone Fischer, pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, machte in der Diskussion deutlich, dass die aktuellen Herausforderungen nicht mit bloßem Problembewusstsein zu lösen sind. „Dass Kinder durchs Raster fallen, darf nicht sein“, betonte sie. Fischer stellte heraus, dass die bestehenden Versorgungslücken für intensivpflegebedürftige Kinder ein ernstes Warnsignal seien: „Wenn Kinder in solche Lücken geraten, läuft etwas grundlegend falsch. Familien, die ohnehin am Limit sind, dürfen nicht auch noch um notwendige Unterstützung kämpfen müssen. Wir brauchen klare Strukturen und politische Nachsteuerung, wo sie nötig ist. Parlamentarische Initiativen können helfen, die Realität dieser Familien sichtbar zu machen und Verbesserungen anzustoßen.“

Zugleich warnte sie vor weiterem Strukturverlust: „Wir müssen genau hinschauen, wo Versorgung wegbrechen könnte. Wenn die Rahmenbedingungen für faire Verhandlungen nicht ausreichen, braucht es politische Korrekturen – und zwar ohne das Qualitätsziel der Reform aus den Augen zu verlieren. Am Ende müssen schwerkranke Kinder und ihre Familien auf eine verlässliche Versorgung zählen können.“

Ausbildung unter Druck – Petition zur Spezialisierung ausgebremst
Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war die Frage, ob die generalistische Pflegeausbildung ausreichend pädiatrische Kompetenzen vermittelt. Ruser betonte, dass die Versorgung schwerkranker Kinder hochspezialisierte Expertise erfordert: „Wir dürfen nicht zulassen, dass pädiatrisches Fachwissen strukturell verloren geht.“

Die breite Unterstützung für die aktuelle Petition zum Erhalt der Möglichkeit zur Spezialisierung in der Pädiatrie zeigt die Relevanz des Themas. Dass der Petiti-onsausschuss des Bundestags Mitte November 2025 die Veröffentlichung der Petition für die Öffentlichkeit ablehnte, wertete Ruser als „falsches politisches Sig-nal“.

Lösungen: Ergänzungsverträge, Hilfeplanung und feste Zuständigkeiten
Ruser stellte auf der Tagung drei notwendige Zeitebenen dar. Kurzfristig: Familien müssen bei Widerspruchs- und Eilverfahren entlastet und gestärkt werden. Mittel-fristig: Ergänzungsverträge wie der „Ergänzungsvertrag zur spezialisierten be-handlungspflegerischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen nach § 132a Abs. 4 SGB V“ der Kassen in Baden-Württemberg könnten bundesweit einen Teil der Versorgungslücken im Grenzbereich zwischen AKI und HKP schließen. Lang-fristig: Gesetzgeberische Präzisierungen in AKI und HKP sowie strukturelle Re-formen der Pflegeausbildung sind unverzichtbar.

Ein zentrales Anliegen des Verbandes bleibt zudem die Etablierung interdisziplinä-rer Versorgungsplanung über alle Sozialgesetzbücher hinweg – mit verbindlichen Zuständigkeiten und einer festen Ansprechperson für die Familien.

Ruser fasst zusammen: „Wir dürfen nicht vergessen: Es geht um Kinder, deren Versorgung nicht gesichert ist. Jede Lücke, die wir lassen, trifft unmittelbar deren Sicherheit. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern und aktiv werden, droht der Versor-gungslandschaft ein Kollaps. Und dieser Kollaps hätte Namen, Gesichter und Schicksale – von Kindern und Familien.“

Neuwahl des BHK-Vorstands
Im Zuge der Bundestagung wurden außerdem die Weichen für die weitere Arbeit des BHK e.V. gestellt: mit der Vorstandswahl für die nächste Amtsperiode. Ste-phanie Müller, Judith Meyer, Jonas Lang und Dr. Alexander Schwandt wurden in ihren Ämtern bestätigt, Tobias Sinning wurde neu in den Vorstand gewählt. Der Verband setzt damit auf Kontinuität und zugleich auf neue Impulse für die kom-menden Jahre.

Der BHK ist der Verband für Einrichtungen und Dienste der ambulanten sowie außerklinischen teilstationären und stationären Kinderkrankenpflege sowie der sonstigen Einrichtungen und Dienste, die Kinder und Jugendliche mit chronischen, schweren und schwersten Erkrankungen und Behinderungen ambulant, außerklinisch teilstationär und stationär versorgen und betreuen. Er wurde 1998 in Frankfurt a. Main gegründet. Der Sitz der Bundesgeschäftsstelle ist in Dresden.

Der Verband ist der berufliche, politische und soziale Interessenvertreter seiner Mitglieder in Gesetzgebungsverfahren, gegenüber Kostenträgern und sonstigen Entscheidungsträgern sowie gegenüber der Politik und Öffentlichkeit. Der BHK nimmt die Interessen der ambulanten Dienste sowie teilstationären und stationären Einrichtungen auf Bundesebene und auf Landesebene wahr und setzt sich für die Verbesserung und Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit schweren Erkrankungen und Behinderungen sowie ihrer Familien und sonstigen Bezugspersonen ein.

Firmenkontakt
Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e. V.
Corinne Ruser
Hospitalstraße 12
01097 Dresden
+49 (0)351-652892-35
www.bhkev.de

Pressekontakt
punctum pr-agentur GmbH
Ulrike Peter
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40221 Düsseldorf
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Bildquelle: BHK e.V.

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