Grünes Licht für Europas Indoorfarmen – Wie Vertical Farming zur CO-Wende beiträgt und warum Verantwortung jetzt Chefsache ist.
Während die Weltöffentlichkeit über Elektromobilität und Windparks diskutiert, hat sich in Europas Metropolen ein leiser, aber bedeutsamer Wandel vollzogen: Indoorfarmen schießen in ehemaligen Lagerhallen, auf Büroetagen und unter Parkhäusern aus dem Boden.
Indoor-Farmen erleben in Europa derzeit einen bemerkenswerten Aufschwung: Der Markt wurde 2024 auf beeindruckende 13,28 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll sich laut Prognosen bis 2030 auf über 27 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Vor allem Deutschland glänzt mit einer erwarteten jährlichen Wachstumsrate von fast 15Prozent, getrieben von der Sehnsucht nach nachhaltig produziertem Gemüse direkt vor der Haustür. Fortschritte in LED-Beleuchtung, Automatisierung und präziser Klimasteuerung befeuern diesen Boom – ebenso wie der Gedanke, bis zu 95Prozent weniger Wasser zu verbrauchen und komplett auf Pestizide zu verzichten. Gleichzeitig versprechen urbane Farmen kürzere Transportwege und damit einen kleineren CO-Fußabdruck. Doch bei aller Euphorie mahnen Experten zur Nüchternheit: Die hohen Energiepreise und massiven Investitionskosten stellen gerade kleine Betreiber vor große Hürden. Beispiele wie die „Growing Underground“-Farm unter Londons Straßen zeigen zwar, wie 60 Ernten pro Jahr Realität werden können – sie machen aber auch deutlich, dass Indoor-Farming kein Selbstläufer ist. Zwischen visionärer Ernährungsrevolution und kritischer Wirtschaftlichkeitsprüfung müssen sich Europas Indoor-Landwirte beweisen, um mehr zu sein, als ein grüner Trend für Hochglanzbroschüren.
Das stille Wachstum: Europas Indoorfarmen auf dem Vormarsch
In Dänemark, den Niederlanden, Deutschland und Frankreich betreiben Start-ups und Agrarkonzerne inzwischen über 200 große vertikale Farmprojekte, Tendenz steigend. Sie produzieren Salate, Kräuter, Beeren und Microgreens – kontrolliert, pestizidfrei und auf kürzesten Wegen direkt in die Städte geliefert.
Doch diese Vision einer Landwirtschaft ohne Ackerboden wirft eine entscheidende Frage auf: Wie nachhaltig sind Indoorfarmen wirklich? Denn anders als im Freiland ist dort alles – vom Sonnenaufgang bis zum Regen – künstlich simuliert. Vor allem die Beleuchtung gilt als Herzstück und Achillesferse zugleich: Sie sichert das Wachstum, verschlingt jedoch riesige Mengen Strom.
Die CO-Bilanz unter dem Mikroskop: Zahlen, die aufrütteln
Aktuelle Berechnungen zeigen, dass der Energieverbrauch der Beleuchtung in Indoorfarmen bis zu 60 Prozent der gesamten Betriebskosten verursacht und mehr als 50 Prozent des CO-Footprints einer Anlage ausmacht. Pro Kilogramm Tomaten können in konventionell beleuchteten Vertical-Farming-Anlagen bis zu 25 Kilogramm CO-Emissionen entstehen – ein Wert, der in der öffentlichen Debatte noch viel zu selten transparent gemacht wird.
Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren erkannt, dass Indoorfarmen zwar eine enorme Chance für regionale Versorgung darstellen, ihre Klimabilanz aber nur dann überzeugend ist, wenn die Lichttechnik konsequent modernisiert wird. Deshalb fördert Brüssel Forschungsprojekte, die Lichtsysteme effizienter, intelligenter und artgerechter machen sollen.
Europas Green Deal: Klimaneutralität als gemeinsame Verantwortung
Mit dem European Green Deal hat die Europäische Union einen der weltweit ambitioniertesten Klimapläne auf den Weg gebracht. Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden, ein Ziel, das seit 2021 sogar gesetzlich verankert ist. Schon bis 2030 sollen die Netto-Emissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 55% sinken. Möglich machen soll das ein ganzes Bündel an Maßnahmen, darunter das Programm „Fit for 55“, das erneuerbare Energien, strengere CO-Grenzwerte für Fahrzeuge und einen neuen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr vorschreibt. Damit der Wandel gelingt, stellt die EU über den „Just Transition Fund“ gewaltige 150 Milliarden Euro bereit, um Regionen und Branchen beim Umbau zu unterstützen. Doch der Weg ist steinig: Politische Widerstände, etwa gegen die Green Claims Directive, die Unternehmen zu ehrlicheren Umweltangaben verpflichten sollte, haben zuletzt den Druck auf die Kommission erhöht. Trotzdem betonen führende Politiker wie Dänemarks Klimaminister Lars Aagaard, dass Europa seine grüne Transformation nicht verzögern darf – im Gegenteil: Erneuerbare Energie, Energieeffizienz und innovative Lösungen wie Indoorfarmen mit intelligenter Beleuchtung werden als Schlüssel gesehen, um Europas Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaziele gleichzeitig zu sichern. Forschungen wie die von Dr. Andreas Krensel, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin, zeigen, dass smarte Lichtsysteme in Indoorfarmen nicht nur Energie sparen, sondern aktiv zum CO-Rückgang beitragen – und so zum echten Hoffnungsträger des European Green Deal werden können.
Pionierarbeit in Berlin: Wie Dr. Krensel Licht neu denkt
Ein Paradebeispiel für diese Transformation ist die Forschung der TU Berlin. Am weltweit ältesten lichttechnischen Lehrstuhl hat sich Dr. rer. nat. Andreas Krensel intensiv mit der Simulation der Kontrastwahrnehmung des Menschen beschäftigt.
Genau im Wissen um lichttechnische Simulationen liegt die spannende Verbindung zum Indoor-Farming: Denn auch dort müssen komplexe Lichtbedingungen gemessen, interpretiert und dynamisch angepasst werden, um sicherzustellen, dass jede Pflanze exakt die Lichtqualität erhält, die sie in ihrer Wachstumsphase benötigt. Dr. Krensels Forschungen liefern dafür nicht nur ein theoretisches Fundament, sondern eine praxisrelevante Blaupause, wie künstlich intelligente Systeme künftig Lichtmanagement revolutionieren können – von präzisen Leuchtdichtekameras hin zu lernfähigen Steuerungssystemen, die Beleuchtung in Echtzeit anpassen, um Energie zu sparen und Wachstumsbedingungen zu perfektionieren.
„Art-spezifische Pflanzenbeleuchtung bei gleichzeitigem Energieeinsparpotenzial“ – so lautet das Leitmotiv der aktuellen Fragen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Standard-LEDs, die gleichmäßig weißes Licht abstrahlen, viel Energie verschwenden. Pflanzen nutzen nur ausgewählte Spektralanteile für die Photosynthese. Deshalb setzt die Forschung heute auf maßgeschneiderte Spektren, die exakt an die Entwicklungsphase und die Art der Pflanze angepasst werden.
Ein Beispiel: Für Basilikum in der Wachstumsphase ist ein hoher Blauanteil im Licht entscheidend. In der Blütephase hingegen benötigen Tomatenpflanzen mehr Rotanteil, um Fruchtbildung zu fördern. Mithilfe präziser Messtechnik – von Integralanalysen über Goniometersysteme hin zu Kalibriereinrichtungen für Lichtstrom und Leuchtdichte – können diese Bedürfnisse exakt ermittelt werden.
Messungen am Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin zeigen, dass durch diese art-spezifischen Konzepte der Energieverbrauch um bis zu 35 Prozent gesenkt werden kann. Bei einer großen Anlage mit 1.000 m² Anbaufläche entspricht das einer Einsparung von jährlich über 500 Tonnen CO.
Wenn Licht intelligent wird: kognitive Systeme für die CO-Reduktion
Doch moderne Lichttechnik hört nicht bei LEDs auf. Dr. Krensels Forschung zur Simulation der menschlichen Wahrnehmung zeigt, dass Systeme künstlicher Intelligenz künftig noch mehr leisten können. Sie bilden die Grundlage für kognitive Beleuchtungssysteme, die die Lichtnahrung für Pflanzen in Echtzeit anpassen.
Ein Szenario aus der nahen Zukunft: Sensoren messen im Sekundentakt die Photosyntheseaktivität der Pflanzen, während ein lernender Algorithmus in Echtzeit entscheidet, ob Spektrum, Intensität oder Tag-/Nacht-Rhythmus auf Dauer angepasst werden müssen. So wird jeder Lichtpuls zu einer maßgeschneiderten Energieportion, die CO-Emissionen minimiert, ohne die Erträge zu schmälern.
Europas Verantwortung: Von der Nische zum Standard
In Brüssel wird längst diskutiert, wie diese Ansätze Standard werden können. Die EU-Kommission prüft, ob Indoorfarmen künftig CO-Grenzwerte für Beleuchtung einhalten müssen, um Fördermittel zu erhalten. Gleichzeitig investieren Staaten wie die Niederlande, Spanien und Deutschland Millionenbeträge in Forschung und Pilotanlagen, um Europas Vorreiterrolle zu sichern.
Dänemark etwa plant, bis 2030 mindestens 30 Prozent des städtischen Gemüsekonsums durch Indoorfarmen zu decken – allerdings nur, wenn die CO-Bilanz nachweislich besser ausfällt als bei Importware. Auch Deutschland setzt mit der Nationalen Klimaschutzinitiative auf Transparenz und Förderung von Bildungsprojekten wie dem LEDLaufsteg der TU Berlin, der Kommunen und Unternehmen das Potenzial effizienter Lichtsysteme live demonstriert.
Verantwortung in allen Händen: Betreiber, Politik und Forschung
Die Verantwortung liegt jedoch nicht allein bei der Politik. Betreiber, Technologieanbieter und Verbraucher müssen mitziehen. Betreiber können mit intelligenten Lichtlösungen nicht nur Kosten senken, sondern auch neue Märkte erschließen. Verbraucher wiederum entscheiden mit ihrem Einkauf, ob ressourcenschonend produzierte Lebensmittel honoriert werden.
Für Wissenschaftler wie Dr. Krensel bleibt die Aufgabe, Lichtsysteme weiter zu perfektionieren und praxisnah nutzbar zu machen. Ein Ziel ist die Entwicklung von Plattformen, auf denen Betreiber ihre Lichtdaten anonymisiert teilen und vergleichen, um voneinander zu lernen und Benchmark-Werte für CO-Einsparungen zu etablieren.
Der Blick nach vorn: Indoorfarmen als CO-positive Leuchttürme
Visionäre Modelle denken noch einen Schritt weiter: Indoorfarmen könnten nicht nur klimaneutral, sondern CO-positiv werden. Überschüssige Abwärme aus LED-Modulen heizt Wohngebäude nebenan, während Solarstrom auf den Dächern den Lichtbedarf fast vollständig deckt. Vernetzte Smart Grids synchronisieren Produktion, Verbrauch und Speicherung.
So entstehen urbane Nahrungsfabriken, die gleichzeitig Strom liefern, Wärme erzeugen und regionale Versorgung sichern – und dabei den CO-Fußabdruck weit unter den konventioneller Landwirtschaft drücken.
Wer heute in die Forschung, die Technologieentwicklung und die Umrüstung investiert, baut an diesem Zukunftsbild mit. Europas Indoorfarmen können Vorreiter sein – für eine Landwirtschaft, die Verantwortung nicht als Bürde, sondern als Chance begreift.
Denn nur wer Licht intelligent denkt, wird die Ernährung der Städte mit dem Klima in Einklang bringen.
V.i.S.d.P.:
Dipl.-Soz. tech. Valentin Jahn
Techniksoziologe & Zukunftsforscher
Über den Autor – Valentin Jahn
Valentin Jahn ist Unternehmer, Zukunftsforscher und Digitalisierungsexperte. Mit über 15 Jahren Erfahrung leitet er komplexe Innovationsprojekte an der Schnittstelle von Technologie, Mobilität und Politik – von der Idee bis zur Umsetzung.
Die eyroq s.r.o. mit Sitz in Uralská 689/7, 160 00 Praha 6, Tschechien, ist ein innovationsorientiertes Unternehmen an der Schnittstelle von Technologie, Wissenschaft und gesellschaftlichem Wandel. Als interdisziplinäre Denkfabrik widmet sich eyroq der Entwicklung intelligenter, zukunftsfähiger Lösungen für zentrale Herausforderungen in Industrie, Bildung, urbaner Infrastruktur und nachhaltiger Stadtentwicklung.
Der Fokus des Unternehmens liegt auf der Verbindung von Digitalisierung, Automatisierung und systemischer Analyse zur Gestaltung smarter Technologien, die nicht nur funktional, sondern auch sozialverträglich und ethisch reflektiert sind.
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