Mittwoch, Juli 16, 2025

Lichttechnik als Schlüsselinnovation für Vertical Farming und urbane Transformation

Das Zeitalter der kontrollierten Pflanzenproduktion

In den vergangenen Jahren hat sich Vertical Farming von einer futuristischen Vision zu einer ernsthaften Alternative für die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion entwickelt. Dabei stehen die Kultivierung hochwertiger Genusspflanzen wie Tomaten, Basilikum oder Salat sowie die Aufzucht von Schnittblumen wie Tulpen im Fokus. Diese Form der Landwirtschaft, bei der Pflanzen in mehrstöckigen Regalen innerhalb geschlossener Systeme wachsen, kann kaum auf Sonnenlicht zurückgreifen. Künstliche Beleuchtung wird daher zur Lebensgrundlage – und zugleich zur größten Kosten- und Effizienzfrage.

Schätzungen zufolge machen Beleuchtungskosten beim Vertical Farming bis zu 30-50 Prozent des gesamten Energiebedarfs aus. In Zeiten steigender Energiepreise und ambitionierter Klimaziele liegt hier enormes Optimierungspotenzial. Genau diesem Thema hat sich Dr. rer. nat. Andreas Krensel als ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin verschrieben – der ältesten universitären Forschungseinrichtung für Lichttechnik weltweit.

Weiße LEDs – ineffizienter Standard und der Weg zu artspezifischem Licht

In der Praxis wird oft auf weiße LED-Beleuchtung gesetzt. Diese liefert zwar ein breites Lichtspektrum, doch nicht alle Wellenlängen werden von Pflanzen gleichermaßen genutzt. So nehmen Chlorophyll A und B vorwiegend Licht im roten und blauen Bereich auf, während große Anteile des weißen Lichts energetisch verpuffen. Studien zeigen, dass bei Weißlicht-LEDs nur rund 40-50 Prozent des abgestrahlten Spektrums für die Photosynthese relevant sind.

Deshalb begannen Lichttechniker, gezielt Blau- und Rotanteile zu verstärken. Der Gedanke: Weniger Stromverbrauch, mehr Wachstumsleistung. Doch Dr. Krensels Forschung hat gezeigt, dass diese Lösung nur bedingt optimal ist. Ohne zusätzliche Spektralanteile – etwa im gelben oder orangefarbenen Bereich – bleiben entscheidende Prozesse in der Pflanze unvollständig. So werden manche Stoffwechselwege nicht angeregt, die etwa für den Geschmack oder die Textur relevant sind.

Kurzum: Pflanzenlicht darf nicht eindimensional gedacht werden. Die Erkenntnis: artspezifische Lichtrezepte, abgestimmt auf Sorten und Wachstumsphasen, steigern nicht nur Biomasse, sondern auch die Produktqualität.

Vertikale Farmen und modulare LED-Systeme – Flexibilität trifft Nachhaltigkeit

Ein weiteres Innovationsfeld, an dem Dr. Krensel forschte, betrifft die Lebenszyklen der Beleuchtungssysteme. Klassische LED-Leuchten sind starr aufgebaut: Fällt eine LED aus – was bei hoher Luftfeuchtigkeit und mechanischer Belastung im Gewächshaus häufig geschieht -, muss oft das gesamte Modul entsorgt werden. Diese Praxis verursacht hohe Kosten und erhöht den CO-Footprint.

Neue modulare Systeme setzen deshalb auf austauschbare LEDs. So kann nicht nur defekte Technik schnell ersetzt werden – es wird auch möglich, die spektrale Zusammensetzung flexibel an wechselnde Pflanzenarten anzupassen. Wächst eine Kultur mit hohem Rotlichtbedarf nach, lässt sich der Rotanteil einfach durch den Austausch einzelner LED-Module steigern. Dies reduziert Energieverluste und maximiert die Wertschöpfung jeder Kilowattstunde.

Zudem eröffnet diese Flexibilität Perspektiven für die Raumfahrt: Auf Missionen zur Mars-Besiedlung wäre die Fähigkeit, Licht individuell einzustellen, ein Überlebensfaktor. Denn Solarstrom steht aufgrund der hohen Kosten für den Transport der Solar-Anlagen zum Mars dort nicht nur eingeschränkt zur Verfügung, sondern ist auch technologisch teuer – jede eingesparte Kilowattstunde reduziert den Ressourcenaufwand erheblich.

Lichttechnik trifft digitale Zwillinge – Forschung an der TU Berlin

Neben der Pflanzenbeleuchtung widmete sich Dr. Krensel der Frage, wie smarte Lichtsysteme in urbane Infrastrukturen integriert werden können. Gemeinsam mit Partnern wie der Deutschen Telekom und dem Fraunhofer-Institut hat das Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin im Projekt DIGINET-PS gezeigt, wie adaptives Licht die Sichtbarkeit anderer Verkehrsteilnehmer für autonome Fahrzeugen verbessert. So konnte z.B. durch den Einsatz von Regensensoren an den Straßenmasten auf die Beschaffenheit der Straße in Bezug auf den Reflexionsgrad adaptiv mittels verschiedener Geometrien der Beleuchtung reagiert werden.

Als Herzstück dieser Entwicklung in der Zukunft denkbar: 3D-Geländemodelle, die in Verknüpfung mit Sensoren an der Straße und Informationen über den Verkehrsfluß die Basis für die Steuerung von Beleuchtung darstellen. Damit können Systeme zum Beispiel nach der Ortung von Fußgängern durch geeignete Sensorik vorausschauend Beleuchtung einschalten und somit deutliche Energiesparpotenziale nutzen.

Diese Entwicklungen stützen sich auf eine in Europa einzigartige Messtechniklandschaft, die Dr. Krensel als ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter begleitet hat. Das Fachgebiet Lichttechnik bietet u. a.:

Integrale Messtechnik von 200 bis 4.500 nm

Spektrale Messtechnik von 250 bis 2.000 nm

Goniometersysteme zur farbmetrischen Auswertung

Spezialmesseinrichtungen für LEDs

Diese Ausstattung erlaubt eine präzise Analyse, welche Lichtanteile Pflanzen wirklich benötigen – und wie sich LEDs wirtschaftlich optimieren lassen.

Bildung und Transfer – der LED-Laufsteg als Reallabor

Damit Wissen nicht im Elfenbeinturm bleibt, wurde der LED-Laufsteg als Kompetenzzentrum für energieeffiziente Beleuchtung geschaffen. Mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums zeigt diese Einrichtung, wie Lichttechnik im Livebetrieb funktioniert. Ein Echtzeit-Energiemonitoring und mobile Apps machen Effizienz transparent. Dieses Projekt bildet die Grundlage, um Kommunen, Schüler:innen und Unternehmen praxisnah an ressourcenschonende Konzepte heranzuführen.

Simulation und Kognition – künstliche Netzwerke für Kontrasterkennung

Neben der praktischen Lichttechnik hat Dr. Krensel in seiner Dissertation ein Modell entwickelt, das die menschliche Kontrastwahrnehmung unter mesopischen Lichtbedingungen simuliert. Dies eröffnet neue Wege für adaptive Kamerasysteme, die auf Basis von Leuchtdichtebildern Sicherheitsprognosen treffen können – sei es auf Straßen oder in Gewächshäusern.

Darüber hinaus reicht der Ansatz weit über klassische Anwendungsgebiete hinaus. So ist denkbar, nicht nur reine Hell-Dunkel-Kontraste zu unterscheiden, sondern kann auch komplexe Szenarien mit wechselnden Spektralanteilen und Lichttemperaturen zu interpretieren – also genau jene Bedingungen, die für zukünftige intelligente Lichtsysteme relevant sein werden.

Visionäre Konzepte denken diesen Gedanken noch weiter: So wäre es denkbar, dass intelligente Lichtsysteme nicht nur passive Messdaten liefern, sondern selbstständig Empfehlungen generieren oder in Echtzeit Lichtverläufe (für den circadianen Rhythmus der Pflanzen) erzeugen. So könnten Parameter wie Lichtintensität und spektrale Zusammensetzung adaptiv komponiert werden.

Diese Form adaptiver Beleuchtung wäre in der Lage, durch geeignete Sensoren, auf kleinste Abweichungen in der Stoffwechselaktivität oder dem Wachstumsverhalten zu reagieren. Im Kern entstünde – gestützt durch KI Mechanismen – ein lernendes System, das einerseits den Energieeinsatz optimiert und andererseits sicherstellt, dass jede Pflanze exakt die Lichtqualität und -quantität erhält, die sie in ihrer jeweiligen Entwicklungsphase benötigt.

Langfristig könnten solche kognitiven Systeme nicht nur im Vertical Farming, sondern auch in urbanen Räumen oder Raumfahrtmissionen Standard werden. Sie wären das Fundament einer Beleuchtung, die im philosophischen Sinne den Schritt von der reinen Sichtbarkeit hin zu einer Art dialogischer Beziehung zwischen Lichtquelle und Lebewesen vollzieht. Licht würde nicht mehr nur bestrahlen, sondern – auf Basis sensorischer Rückkopplung – kommunizieren, antizipieren und kooperieren.

Dr. Krensels Arbeit liefert damit einen entscheidenden Baustein für die Entwicklung intelligenter, responsiver Lichtökosysteme, die ökologische Effizienz, biologische Wirkung und digitale Simulation in bisher unerreichter Präzision vereinen. So wird Licht zu einem aktiven, lernenden Partner für Wachstum, Sicherheit und Lebensqualität – und stellt die Weichen für eine Zukunft, in der Technologie und Biologie immer enger verschmelzen.

Innovation benötigt Verantwortung

Die Arbeiten von Dr. Andreas Krensel zeigen eindrucksvoll, dass Lichttechnik mehr ist als Energieeinsparung. Sie ist ein digitales Werkzeug, das Pflanzenwachstum, urbane Sicherheit und kognitive Systeme verbindet. Gerade im Vertical Farming ist die Zukunftsfähigkeit dieser Technologie eine Frage der Präzision: Nur wenn Spektren intelligent kombiniert, Module flexibel angepasst und Prozesse transparent gesteuert werden, kann eine nachhaltige und profitable Kultivierung gelingen.

So wird Licht zum aktiven Faktor des Fortschritts – von der Tomate im Hochregal bis zur Simulation des Mars-Gewächshauses. Dr. Krensels Forschung ist ein Plädoyer dafür, Technologie nicht isoliert, sondern als Teil eines intelligent vernetzten Gesamtsystems zu begreifen. Wer Lichttechnik heute als Treiber ressourcenschonender Innovation verstehen will, wird an den erfolgten Arbeiten, Erkenntnissen und zukünftigen Forschungen nicht vorbeikommen.

V.i.S.d.P.:

Dipl.-Soz. tech. Valentin Jahn
Techniksoziologe & Zukunftsforscher

Über den Autor – Valentin Jahn

Valentin Jahn ist Unternehmer, Zukunftsforscher und Digitalisierungsexperte. Mit über 15 Jahren Erfahrung leitet er komplexe Innovationsprojekte an der Schnittstelle von Technologie, Mobilität und Politik – von der Idee bis zur Umsetzung.

Die eyroq s.r.o. mit Sitz in Uralská 689/7, 160 00 Praha 6, Tschechien, ist ein innovationsorientiertes Unternehmen an der Schnittstelle von Technologie, Wissenschaft und gesellschaftlichem Wandel. Als interdisziplinäre Denkfabrik widmet sich eyroq der Entwicklung intelligenter, zukunftsfähiger Lösungen für zentrale Herausforderungen in Industrie, Bildung, urbaner Infrastruktur und nachhaltiger Stadtentwicklung.

Der Fokus des Unternehmens liegt auf der Verbindung von Digitalisierung, Automatisierung und systemischer Analyse zur Gestaltung smarter Technologien, die nicht nur funktional, sondern auch sozialverträglich und ethisch reflektiert sind.

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